Heute möchte ich mich aus gegebenem Anlass einem Thema widmen, dass in Krankenhäusern und bei Hebammen immer noch viel zu wenig bekannt ist, aber entscheidend dazu beitragen kann, Sterneneltern schöne Erinnerungen zu schaffen.
Die Wassermethode.
*Triggerwarnung*
Bitte nur lesen, wenn dir bewusst ist, dass hier Details im Umgang mit verstorbenen Babys erklärt werden.
Die Wassermethode ist in den USA oder auch Holland und Skandinavien bereits seit Jahren bekannt und wird dort erfolgreich praktiziert.
Wenn ein Baby tot zu Welt kommt (egal in welcher SSW) wird es normalerweise in der Zeit, die es nicht bei den Eltern ist, in die Kühlung gelegt, damit der Vergänglichkeitsprozess nicht so schnell einsetzt. Das hat - trotz des Vorteils der Kühlung - einen großen Nachteil:
Der Körper verliert schneller die Form, weil die Flüssigkeit (wie in einem funktionierenden Kreislauf) nicht nachgebildet werden kann und der Mensch langsam 'austrocknet'.
Gerade bei Sternenkindern, die in sehr frühen Wochen geboren werden, passiert es besonderes schnell:
Da alles viel zarter und sehr empfindlich ist (Die Haut ist noch so dünn, dass man ohnehin jedes Gefäß erkennen kann) schreitet dieser Prozess tatsächlich in Minutenschnelle(!) voran.
Außerdem sind die Babys teilweise noch mit Resten von Blut, Plazentagewebe, zuweilen auch Mekonium oder Käseschmiere bedeckt und sehen daher 'versehrter' aus, als sie es tatsächlich sind.
Die Wassermethode ist - um eben diese Effekte zu mindern -wirklich sehr hilfreich!
Was ganz wunderbar ist: Sie ist sehr einfach und unkompliziert anzuwenden.
Man braucht lediglich:
Einen Behälter, in dem das Kind frei im Wasser liegt (beispielsweise eine größere Schüssel) und Leitungswasser (am besten kühl). Das ist schon alles!
Das Schöne daran: Das Kind darf (fast) in seine "gewohnte Umgebung" zurück.
Gewebe und Blutreste, die sich noch am Körper befinden(wie oben erwähnt), können sich sanft lösen.
Bitte befüllt das Gefäß soweit, dass das Baby komplett von Wasser umgeben ist.
Wichtig dabei: Lasst das Wasser einfließen, bevor ihr das Kind hineinlegt, oder richtet den Wasserstrahl vorsichtig neben das Baby, wenn ihr das Wasser einlasst, damit die zarte Haut nicht unnötig strapaziert wird.
Bei diesem ersten 'Bad' wird sich das Wasser durch die Reste noch verfärben/eintrüben.
Wartet eine wenig, damit sich diese Reste lösen können und wiederholt den Vorgang (denkt daran, das Wasser nicht über das Baby laufen zu lassen) evtl. mehrmals, bis das Wasser klar ist.
Das Sternchen kann auch vorsichtig aus dem Wasser genommen, das Wasser gewechselt und das Kind danach wieder hineingelegt werden.
Einer der großen Vorteile eines sehr früh geborenen Sternenkindes, das bald ins Wasser gelegt wird, ist:
Die Haut wird sauberer und sie klebt nicht, daher reißt sie auch nicht so leicht. Die Eltern müssen weniger Sorge haben, ihr Kind durch Berührung noch zusätzlich zu verletzen.
Ein weiterer sehr großer Vorteil:
Je länger ein Baby im Wasser liegen darf, desto mehr 'erholt' es sich. Dunklere Färbungen (die besonders bei sehr frühen Wochen auftreten) verschwinden oft zu großen Teilen wieder und die Kinder werden wieder ein wenig 'fester'.
Wichtig ist jedoch, dass das Wasser wirklich kühl ist und das Baby so früh wie möglich ins Wasser kommt.
Das schreckt manche Eltern ab, denn sie wollen nicht, dass ihr Kind kalt liegen muss.
(Was es aber in der Kühlung ja ebenfalls tut).
Ich rate Klinikpersonal und Hebammen daher gerne, das Baby in ein handwarmes Wasser 'umzubetten' wenn es bei den den Eltern sein darf.
Kinder halten sich bzgl. des Geburtszeitpunktes nicht an Tageszeiten. So werden auch Sternenkinder häufig mitten in der Nacht geboren.
Auch, wenn ich als Sternenkindfotografin wirklich 24/7 zur Verfügung stehe, kann es passieren, dass die Eltern sich z.B. noch nicht in der Lage fühlen, gleich eine Fotografin an ihrer Seite zu haben.
Auch in diesem Fall hat sich die Wassermethode sehr gut bewährt. Das Baby ist auch nach mehreren Stunden kaum verändert, sofern das Wasser kühl bleiben darf und das Baby, so schnell es möglich war, hinein gelegt wurde. Man kann bspw. zusätzlich noch Kühlpacks mit ins Wasser legen.
Welches Gefäß eignet sich am besten?
Das mag angesichts der Dramatik vielleicht unpassend scheinen, aber ist doch wichtig, denn es soll ja schön anzusehen und das Kind so würdevoll wie möglich gebettet sein.
Am besten eignet sich weiße oder Glasgefäße, da sie dem Baby die natürliche Farbe lassen und nicht auf die Haut 'abstrahlen', die Eltern es (bei Glas) außerdem zusätzlich besser ansehen können.
Ganz wichtig bei Glas: Die Wände müssen gerade und glatt sein, da ein rundes Gefäß die Ansicht extrem verzerrt!
Ich arbeite persönlich mit zwei kleinen Aquarien, um dem Kind einen würdevollen, sicheren Platz zu ermöglichen (siehe Bild, das größere Aquarium ist allerdings nicht abgebildet).
Es darf auch gern einen schöne Keramikschüssel oder breite Vase sein, sofern man mit den Händen gut hineinfassen kann.
Wenn die Eltern wissen, dass sie ihr Kind verloren haben, und bis zur Geburt noch Zeit ist, kann z.B. auch das Bemalen eines geeigneten Gefäßes eine Möglichkeit zur Trauerbewältigung sein.
Wie bereits erwähnt, muss aber immer die Möglichkeit gegeben sein, dass das Baby liegt und der Körper vollständig mit Wasser bedeckt ist.
Die Größe des Gefäßes richtet sich nach der zu erwartenden Größe des Kindes:
Faustregel: Die SSW + 3 cm entspricht zwischen der 12. und 20. SSW ca. der Größe des 'idealen' Behälters.
Beispiel: Ein Baby, das in der 15. Woche geboren wurden passt in einen Behälter, der ca. 15 + 3 cm (also 18 cm) Durchmesser hat. Die Höhe des Behälters sollte 15 - 16 cm grundsätzlich nicht unterschreiten.
Ab der 20.-25.SSW braucht man einen Behälter mit ca. 30-38 cm Durchmesser und ca. 20 cm Höhe.
Ab der 26. Woche ist tatsächlich eine kleine Babybadewanne eine gute Möglichkeit, das Baby sicher und geborgen zu betten.
Der positive Effekt der Wassermethode ist leider mit zunehmendem Alter der Kinder nicht mehr ganz so stark spürbar, lohnt sich aber (gerade bzgl. eventueller Hautläsionen) auch noch bei einem reif geborenen Sternenkind.
Mit der Wassermethode haben sich die Möglichkeiten, den Eltern schöne Erinnerungen zu ermöglichen, wirklich signifikant verbessert.
Das Kind aus diesem Betrag ist übrigens Ende der 15. SSW zur Welt gekommen.
Eine wichtige Anmerkung zum Schluss, auf die mich einen Hebamme hinwies:
Im Falle einer Obduktion (die evtl. Aufschluss über die Todesursache geben kann) ist die Wassermethode auf Nachfrage je nach Einzelfall möglich. Dies sollte aber vorher nachgefragt bzw. beim Anmeldebogen zur Obduktion angegeben werden.
Da die Eltern ebendieser zustimmen müssen und oft nach einer Totgeburt nicht sofort danach gefragt werden kann (bspw. wenn die Mama noch in den OP muss), dürfen Klinikangestellte das Kind (eben bzgl. einer eventuellen Obduktion) nicht sofort ins Wasser legen.
Es ist also wichtig, das nach Möglichkeit im Vorfeld abzuklären.
Auch hier nachzulesen:
Gerne dürft ihr diesen Betrag an betroffenen Eltern oder Selbsthilfegruppen weiterleiten, ich denke, für viele könnte es einen echte Bereicherung sein!
Eine Hebamme wies über das www.sternenkinderzentrum-odenwald.de noch auf folgende Seiten hin:
-> Eine der ersten Seiten zur Wassermethode:
->In der Ausgabe 3/2020 von „Die Hebamme“ aus dem Thieme Verlag steht ebenfalls ein guter Artikel dazu.
Wer außerdem weitere Ideen zum würdevollen Abschied und zur Trauerbewältigung sucht, dem sei dieser Betrag empfohlen: